Gegen jede Annäherung an das iranische Regime!
Die Einladung des iranischen weltlichen Führers Hassan Rohani nach Berlin ist programmatisch für die gesamte Iran-Politik Deutschlands und entspricht der seit Längerem verfolgten Linie der deutschen Außenpolitik. Anstatt die abscheulichen Menschenrechtsverletzungen dieser Diktatur anzuprangern, wird zugunsten deutscher Standortpolitik um den besten Deal gebuhlt.
Nachdem Anfang Februar 2016 Außenminister Frank–Walter Steinmeier bereits den Präsidenten des islamistischen Regimes im Iran, Hassan Rohani, einen Deutschlandbesuch nahe legte, sollte dieser noch im Herbst 2016 stattfinden. Ein genaues Datum wird unter Verschluss gehalten. Wohl in Vorbereitung dessen traf am 6.09.16 der iranische Geheimdienstminister Mahmoud Alavi auf Regierungsvertreter*innen in Berlin. Weitere Zusammenkünfte von Delegierten des Iran mit Repräsentant*innen aus Wirtschaft und Forschung sind ebenfalls zu erwarten. Wie bereits die Visiten Rohanis in Italien und Frankreich Anfang diesen Jahres zeigten, geht es dabei um milliardenschwere Verträge, die nun auch die deutsche Regierung zum Ausbau ihrer Wirtschaftsmacht an Land ziehen möchte. Möglich gemacht hat dies das Wiener Atomabkommen, das die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen den Iran im Austausch einer Limitierung und Kontrolle der Nutzung von Atomenergie vorsieht. Das ist in vielerlei Hinsicht äußerst problematisch:
Der Islamismus des iranischen Regimes
Im Iran wird die Bevölkerung massiv unterdrückt. Liebesbeziehungen sind nur in heterosexuellen Ehen erlaubt und Persönlichkeitsrechte existieren de facto nicht. Erlaubt ist, was der Ideologie des Islamismus entspricht und durch die „Sittenwächter“ kontrolliert wird. Alles andere, wie beispielsweise liberalen Genüssen frönen, gemischt-geschlechtliche Partys feiern oder gar eine gleichgeschlechtliche Liebesbeziehung pflegen, ist nicht denkbar in einem Iran, der dafür Gefängnis, Peitschenhiebe, Folter, Verstümmelung oder gar Mord als Konsequenz vorsieht. Solche Lebensentwürfe können nur verdeckt, im Geheimen ausgelebt werden. Auf Homosexualität steht die Todesstrafe: erst kürzlich wurde sie an dem 19-jährigen Hassan Afshar volllstreckt. Meinungsfreiheit existiert nicht. Frauen* werden brutal unterjocht und müssen sich korrekt verschleiern, andernfalls droht Besuch durch den Exekutivarm der „Sittenwächter“ oder „Revolutionsgarden“. Bringen Betroffene einen Vergewaltigungsfall vor Gericht, drohen ihnen Strafen bis zur Hinrichtung.
Angesichts solcher Umstände mutet es mehr als zynisch an, dass das öffentliche Medienbild in Deutschland den neuen Präsidenten des Iran überwiegend als „Reformer“ oder „Liberalen“ verharmlost. Unter Rohani wurden im Jahr 2015 min. 1000 Todesurteile vollstreckt, weitaus mehr als noch unter Ahmadinedschad. Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen, Angehörige religiöser und verfolgter Minderheiten werden bedroht, politische Gefangene bleiben auch nach dem Atomabkommen in Haft und werden gefoltert. Eine Opposition, wie sie 2009 noch in Form einer Demokratiebewegung auf die Straße ging, wurde niedergeschlagen und existiert im Iran de facto nicht mehr. Diejenigen, die gezwungen wurden ins Exil zu gehen, können sich auch außerhalb des Irans ihres Lebens nicht sicher sein. Und jeder, der sich auf die Wahlen im Iran beruft, täuscht sich darüber hinweg, dass dies Scheinwahlen sind. Vor der letzten „Wahl“ wurden die konformen Präsidentschaftskandidaten durch die Revolutionsgarden von den nonkonformen getrennt, ausschließlich erstere, die von westlichen Medien als moderat bejubelt werden, wurden zur Wahl zugelassen.
Der Iran ist seit 1979 ein islamistischer Staat, dessen Regime mit allen notwendigen Mitteln oppositionelle Kräfte ausschaltet und Personengruppen, die ihrer Ideologie nicht entsprechen, massiv unterdrückt. Terrororganisationen wie die Hizbollah werden offen unterstützt und der einzige jüdische Staat auf der Welt soll vernichtet werden. Für die Islamische Republik Iran sind antisemitisches Verschwörungsdenken und Hass auf die Moderne seit der Gründung der Dreh- und Angelpunkt ihrer Ideologie. Das Regime in Teheran macht keinen Hehl daraus, was es mit Atomwaffen erreichen würde, würde es nur gelassen. Dass der Iran bis heute nicht im Besitz von nuklearen Massenvernichtungswaffen ist, hing nicht zuletzt auch mit einer Sanktionspolitik seitens der EU, den USA und der internationalen Staatengemeinschaft zusammen.
Deutschland und Iran – eine besonders enge Beziehung ¹
Nach den erneuten internationalen Atomverhandlungen mit dem Iran im Jahr 2015 in Wien schien jedoch ein neuer Anfang des gegenseitigen Austauschs von islamistischem Regime und der internationalen Staatengemeinschaft möglich: Zum ersten Mal seit der Islamischen Revolution ’79 ließen sich die Ayatollahs auf Gespräche mit den von ihnen als Ungläubige Denunzierten ein. Die von den USA und der EU auferlegten Sanktionen werden seit geraumer Zeit schrittweise gelockert, der Iran darf internationale Finanzkanäle nutzen, darf wieder Öl und Gas exportieren und erhält bis dato eingefrorene Vermögenssätze in Milliardenhöhe zurück.
Auf Seiten Deutschlands besteht das Interesse, die durch die Sanktionen unterbrochenen „traditionellen Wirtschaftsbeziehungen“ wieder aufzunehmen und die deutsche Vormachtstellung auf dem iranischen Markt weiter auszubauen. Auf Seiten des Iran ist mit der wirtschaftlichen Kooperation der Zugang zu Wissen, Technik und Rohstoffen verbunden, die eben nicht nur einer zivilen Nutzung dienen. Das grundlegende Know-How und die Basisstoffe, die für die Energietechnologie und Landwirtschaft notwendig sind, sind für Kern- oder Chemiewaffen dieselben bzw. deren Voraussetzung. Die bisherige internationale Kontrolle durch Beobachter*innen wurde durch den Iran durchgehend behindert und wurde letztlich zur Farce. Selbst die Erkenntnisse der eigenen Geheimdienstbehörde stellen die Legitimation der deutschen Iranpolitik in Frage. Im Verfassungsschutzbericht 2015 wird festgestellt, dass der Iran mit allen Mitteln die Atombombe will. Die illegalen Beschaffungsversuche waren noch nie so hoch wie heute.
Rohani – the friendly face of terror
Die Leugnung der Shoah und das Abstreiten des Existenzrechts Israels sind zentral in der Politik der iranischen Staatsführung. Die deutsche Bundesregierung, Hauptpartner in den Verhandlungen zum Atomprogramm des Iran, ignoriert so den Umstand, dass in diesem Jahr in Teheran zum dritten Mal ein Holocaust-Cartoon-Wettbewerb stattfand, der antisemitische und holocaustleugnende Karikaturen prämiert. Ausgerufen vom ehemaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, findet er auch unter Rohani statt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die iranische Führung nicht mit der Auslöschung Israels droht. Erst im März wurden – unter dem „Reformer“ Rohani – Mittelstreckenraketen getestet, deren Zweck über ihre Beschriftung klar gemacht wurde: „Israel muss ausgelöscht werden“. Bereits Ende Mai 2015 verkündete Rohani: „Wir können Israel in weniger als 8 Minuten auslöschen“. Und mit diesem Regime führt Deutschland Verhandlungen, um „das Vertrauen in die ausschließlich friedliche Natur des iranischen Atomprogrammes zu erneuern“. Dass das Gegenteil der Fall ist, verdeutlichen stationierte Raketen an den Atomanlagen.
Als sei all das noch nicht Grund genug, die Sanktionen, wenn schon nicht zu erhöhen, so doch zumindest aufrechtzuerhalten, unterstützt das islamistische Regime in Iran auch weiterhin den Massenmörder Assad in Syrien. Dass dem Konflikt in Syrien bis zu 400.000 Menschen zum Opfer fielen und viele Millionen auf der Flucht sind – nicht nur vor dem IS, sondern auch vor Assads Truppen – daran trägt der Iran Mitverantwortung, nicht zuletzt durch den Einsatz eigener Streitkräfte in Syrien. Hinsichtlich ihrer gemeinsamen Militäroperation dort ziehen Hassan Rohani, Wladimir Putin und Recep Erdogan außenpolitisch am selben Strang. Innenpolitisch sind sie sich einig, wie andersdenkenden, -lebenden und -liebenden Menschen begegnet werden soll: mit Repression, wenn nötig auch mit Mord.
Mit solch einem Regime will Deutschland seine Beziehungen ausbauen, die den Iran letztlich näher an den Besitz von Atomwaffen bringen. Die guten Beziehungen, die Deutschland schon im Nationalsozialismus mit Teheran pflegte, werden nun, ungeachtet des Terrors, den das Regime auf die eigene Bevölkerung und die Nachbarstaaten ausübt, wieder aufgenommen und ausgebaut.
Erinnerung als höchste Form des Vergessens ²
Im April verkündete der Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe, Thomas Feist, noch eine „klare Kante gegen Antisemitismus“, die Deutschland zeigen müsse. Nun reichte er, der ehemalige Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Leipzig, den Vertretern eines Regimes die Hand, das am liebsten den jüdischen Staat samt seiner Bevölkerung ausradieren will. Feists Engagement treibt weiterhin abstruse Blüten. So fordert er, der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich erfolgreich gegen Rechtsextremismus engagiert, die Bundeszuschüsse zu streichen. So funktioniert das erinnerungspolitische Gedächtnis in einem Deutschland, das unter seine Vergangenheit einen Schlussstrich gezogen hat und am liebsten seine Kontinuitäten im Post-Faschismus vertuschen möchte: Gar nicht. Niema Movassat, MdB der Partei Die Linke und ein weiteres Mitglied der Parlamentariergruppe, forderte indes 2011 noch von der Bundesregierung, „Solidarität mit den Demokratiebewegungen in den arabischen Ländern“ zu zeigen. Mittlerweile ist er scheinbar bereit, mit einem Regime zu kooperieren, das jegliche liberalen Strömungen im Iran gewaltvoll ausschaltet. Jürgen Trittin, Abgeordneter der Grünen im Bundestag, stellt zwar fest, dass nach wie vor „eine hohe Zahl von Hinrichtungen im Iran zu verzeichnen“ ist, will aber nichtsdestotrotz mit dem iranischen Botschafter zu Tisch sitzen.
Rohani wird nach wie vor hofiert. Steinmeier ist neben Sigmar Gabriel der erste westliche Politiker seit Jahrzehnten, der das islamistische Regime zuhause besucht. Wie ernst es die deutsche Bundesregierung mit der Solidarität gegenüber Israel hält, die sie als Annahme der „Verantwortung für die moralische Katastrophe“ verlautbart, zeigt sich dann, wenn sie mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen kollidiert: Gabriel erklärte hierzulande im Oktober 2016, die Anerkennung des Existenzrechts Israels sei die Voraussetzung für die aufgenommenen Beziehungen mit dem Iran. Laut einer großen iranischen Nachrichtenagentur war das Gegenteil der Fall: Gabriel hätte keinerlei Voraussetzungen an den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen geknüpft und bekräftigte sogare die iranische Außenpolitik. Statt dies zu dementieren, sprach sich Gabriel dafür aus, „den Iran zu einer weiteren Öffnung zu ermutigen“. Deutschland ist und bleibt Vorreiter in Sachen Beschwichtigungspolitik.
Für eine progressive Perspektive
Die Existenz einer von Ressentiment und Kulturalismus bestimmten Islamkritik verunmöglicht nicht die Auseinandersetzung mit dem politischen Islam, sondern macht sie umso dringlicher. Islamismus und Neue Rechte verfolgen dies bezüglich im Wettstreit die gleichen Ziele. Sie sind gegen die Gleichberechtigung der Frau*, für die Prügel- und Todesstrafe und autoritären Nationalismus. Eine progressive Perspektive zielt letztendlich auf die Befreiung der Individuen und verwehrt sich gegen regressive Tendenzen, beispielsweise in Form einer angestrebten Zwangskollektivierung unter einem Patriarchat – ob nun völkisch oder religiös. Die Möglichkeit, Kämpfe zu führen, Freiheiten zu erringen muss verteidigt werden, dahinter darf es kein Zurückfallen geben.
Dass Israel für die Islamische Republik Iran ein Feindbild verkörpert ist kein Zufall. Es handelt sich um eine pluralistische Demokratie, in der arabische und europäische Juden neben arabischen Muslimen und Christen gleichberechtigt leben können. Anders als unter der Herrschaft des iranischen Regimes haben Menschen hier die Möglichkeit, Rechte zu erkämpfen. So sind die erfolgreich von LGBTI* geführten Kämpfe beispielsweise in den umliegenden Staaten nicht möglich. Im israelischen Recht ist die Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung ausdrücklich verboten und jedes Gewaltverbrechen, das durch die sexuelle Orientierung des Opfers motiviert ist, zieht eine Verdopplung der Strafe nach sich. Angesichts eines grassierenden Antisemitismus, der sich nicht nur in Europa oder den arabischen Staaten manifestiert, gilt es aus einer gesellschaftskritischen Perspektive, solidarisch mit Israel zu sein. Als einziger jüdischer Staat stellt er die Konsequenz des von Deutschland initiierten Holocaust dar. Er ist der einzige Nationalstaat, in dem Juden nicht zu „Schutzbefohlenen“ einer anderen Staatsmacht degradiert werden. Wer das ignoriert, betrauert vielleicht die 6 Millionen toten Juden, spricht den Lebenden jedoch Recht auf Verteidigung ab.
Gegen all diese untragbaren Zustände gilt es, öffentlich klar zu machen, dass es keine Verhandlungen mit einem islamistischen, autoritären, antisemitischen, frauen*- und homosexuellenfeindlichen Regime geben darf.
Wir fordern:
- Eine praktische Solidarität mit der unterdrückten iranischen demokratischen Opposition und allen von den Klerikalfaschisten Ermordeten
- Eine angewandte Antisemitismuskritik und Solidarität mit Israel
- Einen progressiven und konsequenten Antifaschismus und Feminismus
- Keine Verharmlosung der realen Bedrohung durch den Iran
- Keine Abschiebungen in den Iran
- Nieder mit dem iranischen Regime
Bündnis gegen die Irandelegation – 15.09.2016 | Leipzig
Du willst den Aufruf unterstützen? Schreib uns einfach eine Mail an: buendnis-leipzig@stopthebomb.net
¹ aus dem Vorwort von Mathias Küntzel (2009): „Die Deutschen und der Iran – Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft“
² Eikel Geisel in „No Business like Shoahbusiness“ , das Zitat heißt richtig:“daß Erinnerung in Deutschland die höchste Form des Vergessens darstellt.“
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